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Lafayette L3678
Neg. Date: 11-11-1902

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Kaiser Wilhelm II., letzter deutscher Kaiser und König von Preußen (1859-1941), fotografiert im November 1902 während einer Jagdgesellschaft, organisiert zu seinen Ehren von König Edward VII. auf dessen Landsitz Sandringham House.

Wilhelm, der Sohn von Kaiser Friedrich III. und Victoria, Tochter von Königin Victoria, heiratete 1881 Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein (1886-1921), mit der er sieben Kinder hatte. In seiner Heimat wurde er verehrt, im Ausland jedoch kritisiert, "weil er seinen Standpunkt ebenso häufig wechselte wie die Kleidung" und eine Vorliebe für "mystische und kriegsähnliche Rhapsodien" besaß. Lange vor dem Ersten Weltkrieg sinnierte der englische Journalist William Stead in seinen Character Sketches, dass "das Idol von einst heute äußerste Abneigung erfahren kann."

Sein missgebildeter Arm (verursacht durch eine Komplikation bei der Geburt), eine strenge und lieblose Kindheit, seine Hass-Liebe zu England und zu seinem Onkel König Edward VII., die gespickt war mit Eifersucht und Groll – all dies trug dazu bei, dass der Kaiser ein aggressives, oft flegelhaftes und taktloses Verhalten sowohl in seinem privaten als auch in seinem politischen Leben entwickelte.

Daisy Fürstin von Pless war oft Zeugin des "sprunghaften Meinungswechsels des Kaisers" am Hof sowohl in Berlin als auch in den Schlössern ihres Mannes in Pless und Fürstenstein. Im Dezember beobachtete sie in ihrem Tagebuch: "Er kann eine Stufe der Erregung erreichen, die für seine Minister nur schwer zu kontrollieren ist, sodass sie ihm nicht alles sagen aus Angst vor dem, was er tun würde." Während sie mit dem Kaiser über die Fehler in der deutschen Politik gegenüber Britannien sprach, konfrontierte Daisy ihn geschickt mit einer Mischung aus Fakten und Schmeicheleien.

Die kolonialen und wirtschaftlichen Ambitionen und die Aufrüstung der Marine irritierten Frankreich und Großbritannien und ebneten den Weg für den Großen Krieg. Nach der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand in Sarajevo 1914 stürzte sich der Kaiser Hals über Kopf in den Krieg, indem er schnell deutsche Unterstützung für Österreich zusagte. Allerdings wurde er bald zu einem bloßen Aushängeschild mächtiger deutscher Kriegsherren. Seine Glaubwürdigkeit verringerte sich durch fehlende konstruktive Entscheidungen und desaströse Vereinbarungen des Kabinetts zunehmend. Als der Krieg verloren war, dankte der Kaiser am 9. November 1918 ab und floh nach Holland, wo er bis zu seinem Tod lebte. Im Exil 1922 heiratete er zum zweiten Mal: Hermine Prinzessin Reuß (1886-1947).

Als dieses Foto 1902 entstand, besuchte der Kaiser noch immer gerne England und genoss entweder die Gesellschaft der britischen königlichen Familie oder namhafter Mitglieder der Aristokratie, inklusive Daisys Schwester Shelagh und ihres Mannes, des Herzogs von Westminster. Regatten, Militärparaden und die Jagd gehörten zu seinem Freizeitvergnügen. Während man in Pless in Schlesien zur Großwildjagd ging, zum Beispiel auf Hirsch und Wisent, wurde in Sandringham in Norfolk mit seinem leicht sandigen Boden vor allem auf Rebhühner, Fasanen und Hasen geschossen, von denen bei einer Jagd Tausende getötet wurden.

Bei einem dieser Besuche "absolvierte der Kaiser einige unglaubliche einhändige Schüsse. Mit vier hellblauen Jägern mit ihren Jagdhörnern im Gefolge, nahm er eine Waffe nach der anderen, führte mit verblüffender Geschwindigkeit einige Schüsse mit einer Hand aus und wurde mit seinen erlegten Fasanen zum Wunder der Jagdgesellschaft." Er betrachtete seinen Besuch in Sandringham als solchen Erfolg, dass er im folgenden Jahr dem Vater von Königin Alexandra, dem König von Dänemark, erzählte, dass er sich in England wie ein "Familienmitglied" gefühlt habe.

Lafayette beschwerte sich, dass der Kaiser einer seiner schwierigsten Kunden gewesen sei – "Er hasst es einfach fotografiert zu werden" – Daisy dagegen sagte, dass er es generell "liebte fotografiert zu werden, während er von einer Gesellschaft umgeben war… Seine linke Hand und sein Arm wurden vorsichtig von der Kamera weggedreht oder in einem Muff aus Zobel versteckt." Wann auch immer er porträtiert wurde, wählte Wilhelm eine Pose, die den Blick von seinem linken Arm ablenkte und ihm die Würde verlieh, nach der er immer strebte. Auf diesem Foto trägt er eine blass-blaue Jagduniform mit einem Tirolerhut und schwarzen Hahnenfedern. Der Mantel ist so drapiert, dass er seinen linken Arm bedeckt. Der Kaiser ahnte nicht, dass ein Diener hinter ihm zur Tür hineinkam. Doch das Lafayette Studio retuschierte den Diener gekonnt aus dem Bild heraus und hinterließ nur eine geisterhafte Silhouette.

Dieses Foto wurde im dem Ladies' Field Magazin am 28. März 1903 veröffentlicht.

deutsche Übersetzungen copyright von dem Oberschlesichen Landesmuseum